Werries im Wandel der Jahrhunderte. Band 2

Als wir nach der Verselbständigung die erste Gebührenordnung aufstellten, mussten wir sie vom Landeskirchenamt in Bielefeld und vom Regierungspräsidenten genehmigen lassen. Wir kamen mit diesen Genehmigungen nicht vom Fleck. Das Paket mit der Ordnung kam immer wieder wie ein Bumerang zu uns zurück. Immer wieder war etwas nicht in Ordnung gewesen. Das letzte war, dass wir die Gebühren zu niedrig gehalten hätten. Ich ließ mir einen Termin mit dem zuständigen Kirchenrat in Bielefeld geben. Ich versuchte dem Mann klar zumachen, warum wir die Gebühren so niedrig hielten. Ich konnte ihm vorlegen, dass die Kosten durch die Gebühren gedeckt würden. Der Ton zwischen uns beiden wurde immer gereizter. Schließlich sagte er. „Da möchte sich ja jeder auf ihrem Friedhof beerdigen lassen!“ Mir rutschte heraus: „Kommen Sie!“ Damit war das Gespräch zu Ende. Ich bin kein Freund von gewaltigen Streitigkeiten. Dieser Gesprächsabschluss jedoch hatte mir gut getan.


1969 stellten wir bei allen Zapfhähnen Abfallkörbe auf. Wir baten alle Benutzer des Friedhofs, ihre Abfälle in diesen Körben zu entsorgen. Einmal in der Woche ließen wir die Körbe in Müllcontainer leeren. Die Müllabfuhr der Kommunalgemeinde kam zum Friedhof und leerte die Container gegen ein Entgelt.


Als die Lippestraße als Autobahnzubringer ausgebaut worden war, war der Verkehr noch relativ dünn. Ein alter Mann ging damals zum Friedhof. Den Seitenweg, der bis zum Friedhof parallel zur Lippestraße läuft, gab es damals noch nicht. Der Mann wollte mit seinem Fahrrad die Lippestraße überqueren. Wenn ich mich recht erinnere, schob er sein Fahrrad dabei. Er wurde von einem Auto erfasst, dass mit erheblicher Geschwindigkeit in Richtung Uentrop fuhr.


Im Oktober 1969 gab es einen zweiten tödlichen Unfall, diesmal an der Stelle an der der Parallelweg vor dem Eingang zum Parkplatz landet. Sylvia Richard war 13 Jahre alt. Sie begleitete eine ältere Frau zum Friedhof. Im Oktober ist es bei Regenwetter am späten Nachmittag schon recht dunkel. Man sieht die Fahrzeuge, die von Uentrop her kommen sehr schlecht. Die beiden hatten ein herankommendes Auto nicht gesehen. Die ältere Frau kam gerade noch vor dem Auto her, das Mädchen wurde erfasst und getötet.


An der Stelle wurde uns deutlich, dass wir versäumt hatten, dem Land zur Auflage zu machen, den Zugang zum Friedhof zu sichern. Nun beschlossen wir, diese Sicherung zu fordern. Im darauf folgenden Jahr schrieb uns der Oberkreisdirektor des Landkreises Unna einen langen Brief, warum eine Sicherung nicht möglich sei. Das Auto war und ist die Heilige Kuh der Deutschen. Es war nicht zumutbar, die Autos an dieser Stelle zu bremsen. Die Friedhofsbesucher müssten eben besser aufpassen.


Wir gaben wegen weiterer Unfälle nicht auf. Zwei Menschen mussten dort noch sterben. Ich will später noch davon berichten. Jedenfalls brauchten wir 21 Jahre, bis diese Sache geregelt wurde.


Es bahnte sich in diesen zwei Jahren eine neue Ordnung für die Bestattungen an. Die Märkische Steinkohlengewerkschaft überließ der Kommunalgemeinde Werries die Maschinenhalle an der Lippestraße als Leichenhalle.