Werries im Wandel der Jahrhunderte. Band 2

Der Friedhof zwischen 1933 bis Heite


5.) Es bahnte sich in diesen zwei Jahren eine neue Ordnung für die Bestattungen an. Die Märkische Steinkohlengewerkschaft überließ der Kommunalgemeinde Werries die Maschinenhalle an der Lippestraße als Leichenhalle. Es war eine neue Verordnung des Landes NRW im Gespräch, nach der Leichname innerhalb der ersten 24 Stunden nach dem Tod in die Leichenhalle überführt sein mussten. Eine der letzten Beerdigungszüge von der Wohnung bis zum Friedhof ist mir noch sehr in Erinnerung geblieben. Als wir loszogen, tobte ein harter Sturm. Mein Talar blähte sich wie ein Segel. Ich hatte Mühe dagegen zu halten. Von den Häusern rechts und links der Goethestraße und der Pelzerstraße wirbelten Dachziegel in die Vorgärten. Oder bei einem jungen Mann, der Fußballer war, gingen bei schneidender Kälte, 6 seiner Mannschaftskameraden den ganzen Weg in Shorts und T-Shirt neben dem Sarg her. So war ich nicht sehr traurig, als die neue Ordnung eingeführt wurde. Jupp Disselkötter dagegen wurde, wie schon berichtet, sehr zornig, als er davon hörte. Er schlug seine Kutsche kurz und klein.


Nun musste eine neue Regelung gefunden werden, wie man den Sarg von der Leichenhalle zum Friedhof bringen konnte. Wir verhandelten mit Pfarrer Johannes Holling und mit Bürgermeister Karl Koßmann, einen Transportwagen zu beschaffen, der von den Sargträgern von der Leichenhalle zum Friedhof geschoben werden konnte.


Um alle anstehenden Fragen zu besprechen, wurden Pfarrer Holling und ich zu einer Sitzung des Gemeinderats eingeladen. Dass der Wagen gekauft werden musste, war sehr schnell klar. Wie die Kosten unter Kirchengemeinden und Kommunalgemeinde aufgeteilt werden sollten, war auch schnell geklärt.


Daraufhin sagte ich, dass der Wagen nach jeder Beerdigung gereinigt und desinfiziert werden müsse. Ich schlug vor, dass die Angehörigen dafür zusätzlich 5,00 DM bezahlen sollten. Nun kam eine lange Diskussion ingang. Ein Mitglied des Gemeinderates fand das empörend, die Leute erneut zur Kasse zu bitten. Das müsse der Totengräber zusätzlich erledigen. Johannes Holling wurde laut und zeigte seinen Ärger. Als ich zu Worte kam, machte ich einen Vorschlag. Es solle doch nach jeder Beerdigung ein Mitglied des Rates der Gemeinde zum Friedhof kommen und den Wagen ehrenamtlich reinigen und desinfizieren. Danach gab es keine Diskussion mehr. Die Gebühr war beschlossen.


Eine kleine Verrücktheit soll hier noch angehängt werden. Die Kreisstraße, an der der Friedhof liegt, war eine kleine verträumte Landstraße, auf der die Pferdefuhrwerke der Bauern entlang zuckelten. Anfang der 60er Jahre wurde sie dann zum Autobahnzubringer ausgebaut. Autos durften bis zu 100 Stundenkilometer fahren. Meist drehten sie aber nach der östlichen Stadtgrenze richtig auf und fuhren wesentlich mehr. Es wurde für unsere Werrieser mit zunehmendem Verkehr immer schwieriger, diese Straße zu überqueren. Davon wird noch später die Rede sein.



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