Werries im Wandel der Jahrhunderte. Band 2

1964 legte der Landkreis Unna, zu dem das Amt Rhynern und deshalb auch Werries gehörten, einen neuen Industrieansiedlungs und Bebauungsplan vor. Das Gebiet der Kommunen Braam-Ostwennemar, Werries, Haaren, Uentrop, Schmehausen, Norddinker, Frielinghausen und Vöckinghausen war neu überplant worden. In einem weiten Areal von Schmehausen bis Uentrop sollte Industrie angesiedelt werden. Nach Westen sollte bis zur Werrieser Kolonie ein Naherholungsgebiet ausgewiesen werden. In Braam-Ostwennemar und in Werries sollten künftig 25000 – 28000 Menschen untergebracht werden. 1963 wohnten etwa 8000 Menschen in diesem Gebiet. Leitgedanke war, das Industriegebiet vom Wohngebiet zu trennen. Niemand ahnte damals aber, wie schnell dieser Plan in die Tat umgesetzt werden würde.


Schon 1965 gab es Gerüchte, dass der Landkreis Unna Gelände in Schmehausen aufkaufte, um ein Chemiefaserwerk dort anzusiedeln. Auch die Kirchengemeinde Uentrop wurde angesprochen. Sie hatte in diesem Gebiet ein recht großes Grundstück liegen. Es war dem Landkreis gelungen, durch seine stillen Aktionen die erforderlichen Grundstücke recht billig zu erwerben, Der damalige Uentroper Pfarrer, Glindmeier, war nicht bereit, zu diesem Preis zu verkaufen. Der Landkreis setzte den Superintendenten unter Druck. Der Kreissynodalvorstand und der Superintendent Bedrängten nun den Uentroper Pfarrer.


Die Lebensumstände wandeln sich immer. Es gibt auf dieser Erde keinen Stillstand. Auch in den relativ ruhigen Jahren ging das so weiter. In den hier geschilderten Jahren erschien der Wandel atemberaubend.


Wir erfuhren etwas, was es in Deutschland noch nie gegeben hatte. Wir hatten schon 20 Jahre Frieden. Es gab Vollbeschäftigung. Die Industrie holte ausländische Arbeitskräfte ins Land. Alle Bürger, die es wollten, hatten Unterkunft, ausreichend zu essen und erträgliche Arbeit. Es wurde viel, viel besser, als sich in Jahrtausenden die Menschen das Schlaraffenland vorgestellt hatten. Und doch war es nicht Schlaraffenland oder Paradies, allenfalls gab es „fette Jahre“. Die menschlichen Nöte und Probleme blieben. Sie verlagerten sich nur auf andere Ebenen. Davon wird in diesem Kapitel noch die Rede sein..


Glindmeier hatte inzwischen erfahren, dass es um ein Chemiefaserwerk ging. Ohne das Grundstück der Kirchengemeinde wäre die ganze Sache geplatzt. Glindmeier stellte fest, dass ihm die Konkurrenz schon ein Angebot gemacht hätte, die Grundstücke zu kaufen. So ging zuletzt der Landkreis auf den Preis ein. Uentrop erhielt ein neues Pfarrhaus, Gemeindehaus und Kindergarten. Der Kirchturm wurde saniert und der Kirchraum restauriert. Aber all das geschah etwas später.


Diese Neuordnung brachte viel Gutes. Es ließ sich der Raum leichter vernünftig durchplanen. Das durch die Industrieansiedlung einströmende Steuergeld konnte sinnvoller eingesetzt werden. Nachteil war, dass die ganze Sache für den Normalbürger immer undurchschaubarer wurde. Die meisten Ratsmitglieder waren ihm unbekannt.




Der Bebauungsplan der Gemeinde hatte für die Fläche zwischen Gemeindegrenze und Zufahrtsstraße zum Zechengelände den Neubau von Häusern vorgesehen, in denen die Arbeitskräfte für das neue Werk untergebracht werden sollten. Man plante vier Straßen mit 4 – 8stöckigen Mietswohnhäusern. Sie wurden 1968 fertig gestellt und bezogen.