Werries im Wandel der Jahrhunderte. Band 2

Ärger gab es eigentlich immer nur an einer Stelle. Die katholische Kirche verlangte damals, dass bei „Mischehen“ (ein Teil evangelisch, ein Teil katholisch) die katholische Trauung sein musste. Außerdem mussten beide versprechen, die Kinder im katholischen Glauben aufzuziehen. Entweder wurde der Evangelische Teil „vergewaltigt“ oder der katholische Teil war exkommuniziert. Hier gab es eine Reihe recht schlimmer Geschichten. Das lag aber nicht an Johannes Hollings persönlicher Einstellung. Wenn er hörte, dass ein Katholik oder eine Katholikin dabei war, einen evangelischen Partner zu heiraten, oder wenn er hörte, dass ein gemischtes Paar ihr Kind in der Evangelischen Kirche taufen lassen wollte, musste er hin. Das war sein Auftrag. Er erlebte dabei nicht immer für ihn freundliche Geschichten.


Erst das Konzil von 1962/63 änderte diese Praxis. Da war aber Johannes Hollings Erdenreise kurz vor dem Ende.


Ich habe schon erzählt, dass auch die Kinder in unterschiedliche Schulen gingen. Nur wenige katholische Kinder kamen zur Gemeinschaftsschule und lernten so evangelische Kinder kennen.


An der Stelle möchte ich eine kleine Story aufschreiben, die ich von der Freundin eines unserer Kinder hörte. Immer am Fronleichnamstage machte die katholische Gemeinde eine Prozession. Alles, was dort Beine hatte, zog mit. Mitte des Zuges war ein Baldachin, den vier Männer trugen. Unter dem Baldachin schritt der Priester in vollem Ornat. Er hielt die Monstranz hoch vor sein Gesicht, dass alle sie sehen sollten. Die Katholiken glauben, dass der Priester in der Heiligen Messe Abendmahlsbrot und –wein in Leib und Blut unseres Heilands wandelt. So trug er, wie manche sagten, den Herrgott durchs Dorf.


Der ganze Weg war festlich geschmückt. An einigen Stellen waren reich mit Blumen geschmückte Altäre aufgebaut, an denen der Zug hielt und eine Andacht verrichtete. In dem Zug gingen auch die Kommunionskinder mit. Die kleinen Mädchen hatten weiße Kleidchen an. Sie hatten einen grünen Kranz im Haar und trugen eine Kerze. Die Freundin unserer Tochter hörte Gesang auf der Straße. Kleine Mädchen sind neugierig. Sie musste sehen, was da los war. Als die kleinen Mädchen vorbeikamen, sah sie plötzlich ihre Klassenkameradin im Zug. Es fuhr ihr heraus: „Eh, was machst du denn da?“ Die zischte leise aber deutlich: „Ich bin ein Engelken, du Arsch, siehste das nicht?“




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