Werries im Wandel der Jahrhunderte. Band 2

Zu Beginn des Jahres1975 wurde die zweite kommunale Neuordnung wirksam. Die Stadt Hamm wurde vergrößert. Alle Gemeinden, die zu den Randbezirken der Stadt gehörten, wurden eingemeindet. Die Stadt teilte ihr neues Stadtgebiet in 7 Bezirke ein. Unser Bezirk umfasste alle Orte, die östlich der Ahse liegen. Weil der größte Teil dieses Bezirkes die Großgemeinde Uentrop war, gab man ihm den Namen Hamm – Uentrop.


Diese Neuordnung brachte viele Vorteile. Viele Behörden, wie auch das Straßenverkehrsamt und das Gesundheitsamt, waren vorher in der Kreisstadt Unna. Wir fuhren damals nach 5 km Fahrt an den Hammer Behörden vorbei und landeten etwa 15 km weiter bei der zuständigen Behörde. Zudem war all das, was jetzt die Stadt Hamm ausmachte, schon längst ein Lebensraum, der in der Altstadt Hamm seinen Mittelpunkt hatte.


Die Nachteile waren wie die zuvor beschriebenen: Behörden und Ratsmitglieder rückten weit weg und wurden anonymer. Auch für die Ratsmitglieder wurden notwendige Anforderungen und auch Haushaltspläne immer weniger durchschaubar.


1976 war wieder für Werries ein folgenschweres Ereignis, das den Lebensrhythmus in vielen Familien veränderte. Die Zeche Sachsen wurde 1976 nach 37 Jahren Förderzeit still gelegt. Seit Anfang der sechziger Jahre war der Steinkohlenbergbau in ständiger Krise.


Das Mineralöl hatte einen immer größeren Marktanteil erobert. Es war an vielen Stellen sauberer zu handhaben und war wesentlich billiger als Kohle.


Dazu kam: Weil unsere Steinkohle in großer Tiefe abgebaut und von dort an den Tag gebracht werden musste, waren die Kosten unserer Kohle wesentlich höher als die, die aus Amerika und anderen Kontinenten importiert werden konnten.


Wenn man die Zechen trotzdem weiter betreiben wollte, musste der Staat die Mehrkosten aus Steuergeldern bezahlen. Das konnte, so meinten viele Politiker, auf die Dauer nicht weitergehen. Die vom Staat erlaubte Fördermenge wurde laufend nach unten korrigiert. Europas modernste Schachtanlagen wurden eine nach der anderen aufgegeben. Man wollte die Schließung „sozialverträglich“ vornehmen. Ab 48 konnten Bergleute in die Frührente gehen. Das war nicht für alle gut. Viele freuten sich, dass sie nun Zeit für Hobbies und Familie hatten. Viele nahmen einen Nebenjob an und verdienten sich noch etwas nebenbei. Für manchen aber, dem das Berufsleben alles war, bedeutete es das „Aus“. Die Jüngeren wurden auf andere Schachtanlagen verlegt. Die Männer hatten nun alle wesentlich längere Wege zur Arbeit. Natürlich gab es nun für den Bergmannsberuf fast keinen Nachwuchs mehr. In den Jahren, über die jetzt berichtet wird, wurde in Werries sehr viel gebaut. Ganze Neubauviertel wurden im Norden der Gemeinde aus dem Boden gestampft. An der Maximilianstraße wurden neue Häuser mit Wohnungen für alte Leute errichtet. Wieder übernahmen die Presbyter die Erstbesuche, nahmen den Gemeinderundbrief mit und versuchten, jemanden aus diesen Häusern zu begeistern, der oder die weiter die Rundbriefe in die Häuser bringen würde.


1987/88 Die große Tschernobylkatastrophe und der beinah parallel laufende Störfall in Uentrop wurden als besonders bedrohlich empfunden. Man hörte, sah, roch, spürte nichts und doch waren Böden verseucht und vielen kostete es in der Sowjetunion das Leben