Werries im Wandel der Jahrhunderte. Band 2

Im Heizkeller war kaum Raum für Koks. Der Lagerraum war so gelegt, dass der Küster jede Schüppe Koks im Kellergang rückwärts laufend 10 m transportieren musste. Am Anfang machte diese Arbeit ein Rentner mit Namen Adolf Karge. Als der dann ausfiel, war der Küster dran. Der sorgte sehr schnell dafür, dass die Sache geändert wurde.


Es war niemanden vorher in den Sinn gekommen, dass der Koks für die Heizung zum Keller gefahren werden musste. Der Lieferant weigerte sich, auf das Grundstück zu fahren, weil sein schweres Fahrzeug hängen bliebe. Man konnte diese Mengen auch nicht eimerweise zum Keller bringen.


Zu der Zeit wurde gerade am Exerzierplatz in Hamm ein neuer Wetterschacht abgeteuft. In zwei Nächten wollte die Firma uns Steine aus dem Schacht zur Befestigung des Zuweges bringen. Ich war dann zwei Nächte mit einem halben Dutzend Rentnern im Heizungskeller. Immer, wenn ein Lastwagen mit Steinen ankam, mussten wir an die Arbeit. Wir planierten die Steine aus und zerschlugen unhandliche Brocken, damit der nächste Wagen ein Stück weiter rollen konnte. Nach zwei Nächten war die Zufahrt gut befestigt.


Diese Nächte blieben mir in guter Erinnerung. Die alten Männer erzählten viel von früher und gaben manche Schnurre von sich. Der Wirt von gegenüber, „Kratz“ Damberg, hatte uns eine „Pulle“ Schnaps spendiert. In der ersten Nacht war nur ein Drittel verdunstet. Der Totengräber, Julius Harward, nahm sie mit nach Hause und wollte sie am nächsten Abend wieder mitbringen. Er tat’s. Freudestrahlend erzählte er, dass er mit dem Fahrrad im Matsch ausgeglitscht wäre und sich lang hingelegt habe. „Und da“, sagte er, „habe ich zuerst nach der Pulle jejriffen. Se woar noch heeile.“


Dieselbe Pulle war auch in der Nacht und am nächsten Vormittag noch in Betrieb. Als wir dann fertig waren, meinte Wilhelm Adler, der restliche Schnaps sollte nicht schlecht werden. Er trank den Rest. Es war sehr warm und schwül an diesem Morgen. Als wir dann nach Hause gingen, wurde ihm die Schäferstrasse zu eng. Eine alte Frau, die oft vor ihrer Tür stand, schimpfte uns aus. Es wäre eine Schande, dass wir den alten Mann so hart arbeiten ließen. Er sei total fertig und könne sich nicht mehr auf den Beinen halten. Wir ließen sie bei dem Glauben.


Die Sache hatte noch ein Nachspiel. Seine Frau achtete eisern darauf, dass er selten einen Schnaps bekam. Sie war sehr böse, wenn er zu viel trank. So wollte er heimlich in den Keller schleichen. Er rutschte aus und schrappte sich die Haut an den Schienenbeinen auf. Daraufhin holte er sich die Spiritusflasche und schmierte zum Desinfizieren Spiritus auf die Wunde. Der Schmerz machte ihn wieder nüchtern. Er konnte seiner Auguste wieder unter die Augen kommen.


Die Gemeindegruppen waren nun froh, eine Bleibe gefunden zu haben. Zwar waren die Räume noch sehr dürftig ausgestattet; aber gegen die Räume in der alten Notkirche waren sie geradezu luxuriös. Die beiden Frauenhilfsgruppen, die Jugendgruppen und Jungscharen, Posaunenchor und Kirchenchor hatten nun wieder eine Heimat. Die Erwachsenengruppen kamen im unteren Raum hinter der Kirche zusammen. Die Kinder und Jugendgruppen trafen sich im zweiten Stock des Turms. Auch der kirchliche Unterricht wurde nun aus der Gemeinschaftsschule abgezogen und in das neue Gebäude verlegt. Er fand in einem der Jugendräume statt. Im ersten Stock war ein großer leerer Raum, der einmal die Orgel aufnehmen sollte. Er konnte nicht für Gruppen benützt werden. Vorerst standen dort nur das alte wurmstichige Harmonium aus der alten Notkirch



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