Werries im Wandel der Jahrhunderte. Band 2

Wie alle Vikare, die neu in der Gemeinde waren, musste er auch bei den Presbytern einen Antrittsbesuch machen und sich vorstellen. Dem besuchten Presbyter fiel auf, dass er seine Aktentasche festhielt. Er sagte dem Vikar, er könne doch seine Tasche wegstellen. Der verneinte. Er habe beim Eintreten bemerkt, dass seine Schuhe nicht geputzt wären. So hielt er die Tasche vor seine Füße, um dem Gastgeber diesen Anblick zu ersparen.


Damals bekam der Vikar beim Pfarrer freie Station, d.h. Unterkunft und Verpflegung und monatlich erst 25 DM und später 40 DM Taschengeld. Man erwartete von ihm, dass er voll “in die Pedalen stiege”. Finkenstein ärgerte seine Kollegen, als man sich erzählte, er sei, als das Taschengeld auf 40.- DM erhöht wurde, zu Pfarrer Judt gekommen und wollte ihm die 15.00 DM zurückgeben, weil er sich doch so viel nicht verdiente.....


Weil das alles aus fröhlichem, den Menschen zugewandtem Herzen kam, nahm man ihm in der Gemeinde nichts übel. Die liebe, einfältige fröhliche Art, gefiel vielen in Werries. Sogar die, die aus Ostpreußen, aus dem ehemaligen Besitz der Finkensteins kamen, waren von ihm angetan. Die Menschen, die den Vater von Finkenstein von dort kannten, waren von diesem Arbeitgeber nicht begeistert und wussten nicht gerade guten Geschichten von ihm zu erzählen. Von seiner Mutter sprachen die Menschen, die sie kannten, gut. Sie hatte sich um die Menschen gekümmert. Ihr Sohn muss wohl seiner Mutter nachgeeifert haben. Der Vikar war später in Methler, im Kirchenkreis Unna, ein Leben lang Pfarrer. Er blieb ledig. Seine Mutter lebte bis zu ihrem Tode bei ihm im Pfarrhaus.


Nach ihm arbeitete ich ein Jahr lang vom 1.5.1954 bis 30.4.1955 in Werries. Während ich im Schulvikariat war, war Vikar Bergmann ein halbes Jahr in Werries. Er war in Werries gut gelitten. Während ich ein halbes Jahr als Hilfspastor in Hagen war, schickte die Kirchenleitung Vikar Bauckmann . Er war geradezu das Kontrastprogramm zu Gerhard Graf Fink von Finkenstein. Er reiste mit zwei Schrankkoffern an. Maßanzug und Outfit waren seriös bürgerlich. Ihn hielt Judt zuerst für einen Handelsvertreter. Ich selber war eineinhalb Jahre als Vikar in Werries.


Die Werrieser drängten nun auch darauf, ihre Kirche zu bekommen. Von den Gemeindegliederzahlen her war Werries der größte Pfarrbezirk und hatte noch keinen ordentlichen Kirchraum. Pfarrer Fleischer stand den Werrieser Presbytern und den Vikaren kräftig bei, dass nun auch für Werries ein Kirchbau zustande kam. Er führte für Werries die Verhandlungen und regelte alle Dinge, die den Behörden und der Kirche gegenüber nötig waren. Dass damals die Kirche zustande kam, ist zum großen Teil sein Verdienst.


Gleichzeitig konnte er auch mit Hilfe einer Siedlungsgesellschaft der Inneren Mission, so nannte man damals das Diakonische Werk, in Werries eine Flüchtlingssiedlung in Gang bringen. 27 Siedler bauten zur selben Zeit, als in der Mitte der Siedlungshäuser die Kirche wuchs. Jeweils im ersten Stock und Dachbereich der Siedlungshäuser wurde eine kleine Einliegerwohnung für Flüchtlinge geschaffen.


Dazu kam, dass er in seinem Benehmen durch seine hochadlige Kinderstube geprägt war. Diese Erziehung gebot ihm manche Höflichkeit, die anderen Zeitgenossen fremd war.





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