Werries im Wandel der Jahrhunderte. Band 2

Pfarrer Reinhard Judt hatte von der Erfüllung seines Traumes nicht mehr viel. Ein Jahr später war er 65 Jahre alt und ging in Pension. Er blieb zunächst noch in Werries wohnen. Er konfirmierte als Pensionär noch im Frühjahr 1957 seinen letzten Konfirmandenjahrgang. Er und seine Frau halfen dann, solange es sein Gesundheitszustand zuließ, noch an vielen Stellen „ehrenamtlich“ in der Gemeinde mit.


Die Glocken der neuen Kirche


Aus der Notkirche hatten wir unser kleines Stahlglöckchen mitgenommen. Die Markaner hatten es uns 1923 für die Notkirche aus ihren Beständen geschenkt. Wir dachten im Presbyterium nicht daran, Glocken anzuschaffen. Wir hatten andere Sorgen


Als ich am 27.7.1958 die Post aus dem Briefkasten holte, lag ein Umschlag ohne Absender dabei. Auf dem Umschlag stand „für Glocken“. Im Umschlag lagen 100 DM. Fast 2 Monate später schickte mir eine alte Dame, die ich beim Geburtstag besuch hatte, 500 DM für denselben Zweck. Nun mussten wir uns im Presbyterium damit beschäftigen


Wir beschlossen, eine Gemeindeversammlung einzuladen und die Teilnehmer zu befragen, ob sie Glocken für notwendig hielten. Am 10.11.1958 trafen wir uns im Saal der Wirtschaft Prünte. Der Saal war gut besetzt. Ich hatte vom „Bochumer Verein“ Tonbänder kommen lassen, die eine Reihe möglicher Geläute vorstellten. Der Bochumer Verein war eine Stahlfirma, die unter anderem auch Glocken aus Stahl herstellten.


Die Gemeindeglieder, die gekommen waren, waren einhellig der Meinung, Glocken müssten sein. Es war für alle klar: vier Glocken müssten beschafft werden. Die Sammlung am Ausgang brachte noch einmal 150,25 DM für Glocken. Im Januar 1959 schickten wir allen Gemeindegliedern einen Brief. Wir baten darum, es möchte jeder, der meint, Glocken sollten beschafft werden, verbindlich aufschreiben, wie viel er beisteuern wollte und ob er den Betrag auf einmal oder in Raten geben würde.


Die Verpflichtungen, die zurückkamen und einige größere Spenden deckten die Kosten für die Glocken ab. Es blieb noch eine Summe übrig. Mehrere Presbyter plädierten dafür, auch eine Uhr anzuschaffen. Wir entschlossen uns für eine elektrische Uhr mit Zifferblatt und Stundenschlag. Er sollte jede halbe Stunde anzeigen. Dafür reichten die Mittel gerade aus. Anfang Mai konnten wir die Glocken bestellen.


Ein ehemaliger Presbyter hatte von der Uhr abgeraten. Er sagte: „Entweder geht sie gar nicht oder geht falsch.“ Er behielt recht, bis vor ein paar Jahren die Uhr erneuert und der Frankfurter Steuerung angeschlossen wurde. Von der Uhr soll gleich noch die Rede sein.


Ein Fuhrunternehmer aus Werries mit Namen Preuß holte sie aus Bochum ab und lud sie neben dem Kirchturm ab.

In der Zeit, in der sie auf der Wiese standen, kam der Kindergarten und besichtigte die Glocken.


Die vier Glocken hatten die Töne, mit denen die beiden Lieder des Westfälischen Pfarrers Philipp Nicolai anfangen: „Wie schön leucht uns der Morgenstern“ und „Wachet auf ruft uns die Stimme“ Philipp Nicolai war Pfarrer in Unna, als dort die große Pest ausbrach und in Kürze mehr als die Hälfte der Einwohner hinraffte. Philipp Nicolai schrieb damals für die Kranken ein kleines Trostbuch mit diesen beiden Freudenliedern. Sie singen von der großen, wundervollen Hoffnung der Christen.



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